Lebzeitiges Eigeninteresse

Der Vertragserbe bei einem Erbvertrag bzw. der Schlusserbe bei wechselbezüglichen Verfügungen (in der Regel in einem gemeinschaftlichen Testament) kann, wenn der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen Geschenke gemacht hat, diese von dem Beschenkten nach dem Anfall der Erbschaft herausverlangen (§ 2287 BGB). Die erforderliche Benachteiligungsabsicht liegt aber nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der  Schenkung hatte. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint (BGH, Urteil vom 12. Juni 1980 - IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264, 266). Ein lebzeitiges Eigeninteresse kommt z.B. in folgenden Fällen in Betracht:

  • Dem Erblasser ging es bei der Schenkung um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege im Alter (BGH, Urteil vom 27. Januar 1982 - IVa ZR 240/80; BGH vom 23. September 1981 - IVa ZR 185/80);
  • Der Erblasser hat in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung gehandelt,  z.B. um mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, zu danken (BGH, 27.01.1982 - IVa ZR 240/80; BGH, 26.11.1975 - IV ZR 138/74);
  • Die Schenkung diente der Sicherung der Versorgung eines pflegebedürftigen Kindes; 
  • Erfüllung einer Unterhaltspflicht gegenüber dem (zweiten) Ehegatten (so man nicht schon eine Schenkung verneint); 
  • Schenkung eines Geschäftsanteils an einen Mitarbeiter, um diesen wegen seiner besonderen Fähigkeiten an den Betrieb zu binden. 

Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (BGH, 23.09.1981 - IVa ZR 185/80).